Ein Interview mit Petra Wlecklik aus Wuppertal. Das Thema Übergabe aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten, darum geht es in dieser Serie (Teil 1 „Klappe, die erste: Generationswechsel und Unternehmensnachfolge“ dieser Artikelserie lesen Sie hier, Teil 3 „Übergabeprozesse in selbstorganisierten Teams: Herausforderungen und Chancen“ lesen Sie hier. Aus diesem Grund freue ich mich über das Interview mit Petra Wlecklik, die mit ihrem Unternehmen Wechsel-Raum und dem Seniora-Projekt aktiv Übergänge gestaltet. Wie Sie eine Übergabe planen? Lesen Sie das spannende Interview.
Nach der langjährigen Tätigkeit als politische Sekretärin im IG Metall Bildungszentrum Sprockhövel, als Leiterin des Ressorts „Migration und Teilhabe“ beim Vorstand der IG Metall hat sie sich mit dem Eintritt ins offizielle Rentendasein für eine Selbständigkeit entschieden. An dieser Stelle sind wir zusammen gekommen.
In unserem Gespräch haben wir zwei Aspekte voneinander unterschieden: Wann geht es um Abschied aus dem Berufsleben und was bedeutet Übergabe?
Die eigene Übergabe planen – selbstverständliches Hintergrundwissen.
So stellt sich die Frage
Wann ist der richtige Zeitpunkt, an den Abschied bzw. an eine Übergabe zu denken?
„Der richtige Zeitpunkt, an eine Übergabe zu denken, so würde ich es mal sagen, ist mindestens drei, vier Jahre, bevor man sich entscheidet, aus einem Job rauszugehen. Und Abschied, denke ich mir, fängt viel eher an. Wenn ich von mir aus gehe, habe ich mich acht Jahre vorher damit beschäftigt. Acht Jahre bevor die neue Lebensphase angefangen hat. Und die muss jede Frau selber definieren.“
Und was ist die Motivation bzw. die Verantwortung an einen Wechsel, an eine Veränderung zu denken?
„Ja, wenn mir ein Thema absolut wichtig ist – also in dem Fall war es bei mir das ganze Themenfeld Migration und Rassismus im weiteren Sinne. Wenn ich also möchte, dass es institutionell verankert bleibt und dazu weitergearbeitet wird, dann ist es ganz wichtig, engagierte, fachkompetente Kolleginnen und Kollegen zu finden, die es übernehmen. Mit frischer Energie, neuem Wissen und einem anderen Weltblick.
Das Thema und auch ein Stück von mir sollen darin weiterleben. Klingt egoistisch. Doch wenn mir ein Thema gesellschaftlich wichtig ist, dann bin ich dafür verantwortlich, dass es auch fortgeführt wird.“
Wen hole ich mir denn für diesen Prozess des Übergangs an Bord?
Petra hat mit ihren Kolleginnen und Kollegen einen Plan entwickelt, wie sie gemeinsam vorgehen. Das mag nicht immer so reibungslos ablaufen, ist allerdings im Ergebnis des Prozesses sehr sinnvoll.
„Also wir oder ich, wir haben es folgendermaßen gemacht. Also erstmal unsere Chefin mit ins Boot genommen – insofern, als dass wir die Rahmenbedingungen geklärt haben, dass wir genau wussten, welche Handlungsmöglichkeiten, welche Ressourcen wir haben.
Dann denke ich, ist ein individuelles Coaching ganz wichtig, um die einzelnen Schritte zu besprechen. …und ich hatte eine Coacherin, die sich direkt mit Organisationscoaching beschäftigt hat. Genau das habe ich mit meinem Kollegen dann gemacht, ein Führungskräfte-Coaching, was uns beide betrifft. Wir haben die letztendliche Übergabe beinahe ein Jahr gestaltet und sind daran gewachsen.“
Perspektiven beim Übergang: Abschied und Neuanfang parallel angehen.
Wir reden jetzt bei dir über zwei Perspektiven: Jobabschied auf der einen und deine Selbständigkeit auf der anderen Seite. Welche Ressourcen brauchst du dafür oder hast du dafür gebraucht? Was würdest du empfehlen?
„Die Ressourcen, um den Wechsel hinzukriegen, sind erstmal Klarheit, für mich eine klare Struktur zu entwickeln. Unterstützende Menschen, aber jetzt nicht nur einfach Freunde und Freundinnen, mit denen man spricht, sondern auch Expertinnen und Experten, die sich mit den Themen Coaching, Übergang und Übergabe beschäftigen.
Und die Ressource, die ich für mich auch natürlich wichtig finde, ist meine eigene Resilienz. Wie komme ich klar mit Prozessen, die mit Abschied zu tun haben? Vielleicht einfach nochmal eine Reflexion über vergangene gute und weniger gute Abschiede. Und das sind, glaube ich, schon Ressourcen, die sehr wichtig sind. Und natürlich auch, sage ich mal, im Nahfeld auch Unterstützung von Freundinnen, Freund, Mann, Frau, wie auch immer.“
Wie bist du diesen Übergang angegangen? In welcher Reihenfolge gibst du ab und wie startest du dein eigenes Projekt?
„Ich habe gerade beschrieben, wie komme ich raus und wie fange ich etwas Neues an.
Das ist ja nicht so etwas wie: Ich bin raus und dann fange ich etwas Neues an. Sondern die Prozesse haben sich ja überschnitten. Und ich glaube, für mich war die Erkenntnis immer schon wichtig, dass ich mich vorbereitet habe auf Phasen in meinem Leben: ob ich die Führung übernommen habe oder ob ich in eine andere Rolle reingekommen bin.
Somit war mir auch klar, als ich entschieden habe, dass ich das Arbeitsleben, das ich bis dahin geführt habe, verlasse, dass etwas Neues passiert. Und mir war natürlich auch klar, weil ich früher auch schon nebenberuflich unterwegs, wenn ich da in den Prozess zurückgehe, muss ich den vorbereiten. Also habe ich mich an verschiedene Expertinnen und Experten gewandt, mich einfach erstmal schlau gemacht und geschaut wohin die Reise geht.“
Die externe Brille beim Übergang hilft.
Für die Fragen zur Selbständigkeit und zum Ideen-Check hat sich Petra dann an mich als Unternehmensberaterin gewandt.
„Und hatte dann natürlich einen klaren Plan mit Jahreszahlen, wann was ansteht. Also in dem Fall habe ich mir dann auch Daten und Fakten zur Rentenversicherung eingeholt, eine Finanzplanung gemacht, um zu gucken, ob ich überhaupt mit meinen Vorstellungen, real leben kann.
Im Anschluss habe ich verschiedene Seminare besucht oder das, was ich meinte, gebrauchen zu können. Habe im Theater- und Schreibworkshop dazu gearbeitet, täglich Tagebuch geschrieben, einen Jahreskurs für Freiberuflerinnen besucht und dann Schritt für Schritt diese Sachen auch nachvollzogen und in meinen Alltag integriert.
Also da fällt mir jetzt zum Beispiel ein, dass ich einen Abend-Workshop zu digitalen Medien besuchte. Ich hatte nie mit dem Thema Social Media eigenständig zu tun. Es gab institutionelle Verantwortlichkeiten. Aber da war mir klar, ich verfüge überhaupt nicht über die Kompetenzen – also muss ich es lernen.
Und dann musste ich eben auch ein paar weitere Sachen lernen: nochmal anders vielleicht die Buchhaltung zu machen, nochmal anders mein eigenes Leben zu organisieren und mir nach und nach das zu ermöglichen.“
Übergabe planen: ein Tipp an das frühere Ich.
Was ist aus heutiger Sicht dein Tipp an dein früheres Ich? Wenn du an Übergang, Abschied, Vorbereitung des nächsten Lebensabschnittes denkst?
„Also ich kann nur sagen, also so wie du mich hier heute siehst. Ich bin total dankbar und ich bin absolut zufrieden, wie ich es gemacht habe. Und welche Unterstützung ich erfahren habe! Und natürlich hatte ich Glück mit den Rahmenbedingungen meines Arbeitgebers (Betriebsvereinbarungen z.B. zur Altersteilzeit, die Möglichkeit ein Coaching zu machen usw.) Also es gibt keinen Moment des Zögerns, weil ich einfach rückblickend sehe, wie meine Kollegen und Kolleginnen die Arbeit übernommen haben, mit welcher Verantwortung, mit welcher Gloria, wie ich gesund aus dem Prozess rausgekommen bin und diese Freude in mir trage.
Ich bin sehr versöhnt. Mit meinem Arbeitsleben und ich kann diese ganze Kraft, die ich habe, jetzt noch einsetzen und deshalb bin ich meinem früheren Ich total dankbar, dass es so weise und klug war, so abenteuerlustig und so experimentierfreudig, mit Tränen, mit Lachen und auch den Mut zu haben, den Weg gegangen zu sein.“
Vielen Dank für das Interview, liebe Petra!
Fazit für die Übergabe:
Mir hat der Abschied-Übergabe-Neustart-Prozess mit Petra Wlecklik als Paradebeispiel gezeigt, wie wichtig es ist, sich selbst frühzeitig mit einem Plan auszustatten. Die Frage eines Abschieds ereilt uns mehr oder weniger alle irgendwann.
Denn mit der vielzitierten Veränderung und Ungewissheit, die einige Menschen nach dem aktiven Arbeitsleben erleben, mit der gilt es sich auseinanderzusetzen. Es gestaltet sich anders als das bisherige berufliche Dasein, so viel steht fest. Aktiv und selbstbestimmt zu bleiben, dabei gleichzeitig neue und wichtige Themen im Blick zu behalten, ist der Schlüssel.
Schließlich geht es darum, eigene erlernte Ressourcen zu berücksichtigen und gleichwohl für andere Perspektiven ganz neue Kompetenzen zu entwickeln, die vorher für sich selbst überhaupt keine oder eine eher untergeordnete Rolle spielten. Sei es das Thema Sozialversicherung, Einnahmen und Ausgaben, Kalkulation oder digitaler Auftritt.
Fragen? Ich freue mich von Ihnen und Dir zu hören: 0211 933 71 848.
Herzliche Grüße aus Düsseldorf-Oberbilk
Ihre und Eure Petra Welz