Die Herausforderung des Generationswechsels – irgendwann steht das einfach an. Als Unternehmensberaterin für Frauen in meinem Alter erlebe ich in meinem Tagesgeschäft aus erster Hand, wie dieser Generationswechsel-Prozess abläuft. Ein entscheidender Moment für Unternehmen, insbesondere für diejenigen, die von Frauen geführt werden. In diesem Blogartikel möchte ich meine Perspektive auf diesen wichtigen Übergang teilen. Eine weibliche Perspektive mit jeder Menge Herausforderungen, Chancen, Erfahrungen, Ein- und Aussichten. Teil 2 „Perspektive entwickeln und Übergabe planen“ dieser Artikelserie lesen Sie hier. Teil 3 „Übergabeprozesse in selbstorganisierten Teams: Herausforderungen und Chancen“ lesen Sie hier.

Ein spannendes Thema, markiert der Wechsel in den dritten Lebensabschnitt doch einen Meilenstein und ist ein besonders sensibler Moment beziehungsweise Prozess.

Als Unternehmensberaterin begleite ich zahlreiche Frauen in verschiedenen Phasen ihres Unternehmer*innen-Daseins. Meine Arbeit hat mich gelehrt, wie und dass es wichtig ist, den Generationswechsel gleichwohl strategisch als auch einfühlsam zu planen. Ich bin davon überzeugt, dass Frauen in meinem Alter einzigartige Stärken und Perspektiven in diesen Übergangsphasen einbringen können. Ich möchte Mut machen.

Was sind die Herausforderungen beim Generationswechsel?

Aus meiner Sicht sind folgende Fragen elementar. Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Übergabe? Und in der Verhandlung einer Übergabe ist immer die Frage, wie der Wert des Unternehmens beziffert wird. Dabei gibt‘s natürlich eine ideelle – und eine materielle Sicht.

Hier unterscheiden sich reine Dienstleistungsunternehmen von denen, die auch eine Betriebsstätte übergeben wollen. Übergeben Sie eine Yogaschule oder Heilpraxis? Oder haben Sie einen aufgebauten Markenstatus mit Ihrer Dienstleistung als Coach, Supervisor*in oder Trainer*in und möchten Ihren Firmennamen und Kund*innenstamm weiterreichen?

Oftmals stellen sich Unternehmer*innen zunächst einmal selbst die Frage, wann der optimale Zeitpunkt ist, um die Verantwortung für ihr Unternehmen in neue Hände zu übergeben oder zu entscheiden, als Unternehmer*in aufzuhören. Das passiert zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten und Anlässen. Je nach Lebensplanung, Ressourcen, Rücklagen, Möglichkeiten der Absicherung und Vorsorge. Klar ist: Irgendwann kommt der Gedanke „Und wie geht’s weiter mit meinem Unternehmen und/oder mit mir?“

Aus materieller Sicht oder finanzieller Notwendigkeit (besser noch: Gewinn für „danach“) beinhaltet die Verhandlung einer Übergabe oft komplexe Diskussionen über den finanziellen Wert des Unternehmens. Schließlich sind damit verbundene Erwartungen im Spiel, wie: Differenzen zwischen dem gefühlten Wert und dem fiskalischen Wert des Unternehmens, das Alter und damit die Perspektive einer Schuldenbewältigung der übernehmenden Partei, zeitaufwändige Verhandlungen, bis eine Entscheidung getroffen ist und dabei das Risiko, dass die eine oder andere Seite ihr Angebot zurückziehen kann.

Die verschiedenen Aspekte der Übergabe sind sorgfältig zu berücksichtigen und eine Lösung muss her, die sowohl für die abgebende als auch für die übernehmende Partei fair ist.

Neben den praktischen Aspekten ist da noch der zweite Teil der Herausforderung… Ich nenne ihn den emotionalen Abschied. Da geht es um den Lebensabschnitt, die eigene Identität als Unternehmer*in. Dieser Abschied nimmt eine entscheidende Rolle ein.

Unsicherheit und Freude – die Pole der Emotionen

Das Bild zeigt zwei Betonstatuen, eine mit einem lachenden Gesicht und eine mit einem traurigen Gesicht – Analogie zur Unternehmensnachfolge, dass es immer (mindestens) zwei Perspektiven gibt (Photocredit: Petra Welz, Geld & Rosen, Düsseldorf)Denn für viele Unternehmer*innen ist der Gedanke an den Abschied von ihrem Unternehmen mit starken emotionalen Gefühlen verbunden. Der Übergang von der Rolle der Unternehmer*in zur Lebensphase ohne Erwerbstätigkeit oder zur Übernahme neuer Aufgaben kann eine intensive Zeit der Reflexion und des Loslassens sein.

Was folgt nach der Fülle und bisherigen Identität als Unternehmer*in? Welche Erwartungen und Hoffnungen gibt es? Mit welchen bewussten oder unbewussten Glaubenssätzen oder lieb gewonnenen Traditionen müssen Sie sich selbst konfrontieren?

Es ist wichtig, diesen emotionalen Prozess anzuerkennen, Raum für Abschied, Trauer und Neuanfang manchmal überhaupt erst einmal zu schaffen. Oft genug, eigentlich jedes Mal in solch einem Prozess der Beratung, unterstütze ich Frauen dabei, diesen Lebensabschnitt mit Selbstbewusstsein und Zuversicht anzugehen und neue Perspektiven zu entdecken.

Der emotionale Abschied von einem Unternehmen, das über viele Jahre aufgebaut wurde, ist zweifelsohne eine komplexe und tiefgreifende Erfahrung. Es geht nicht nur um den Verlust einer beruflichen Rolle, sondern auch um den Abschied von einer Lebensphase. Viele Frauen identifizieren sich über Jahre hinweg mit ihrem eigenen Unternehmen, waren sozusagen eins mit ihm, voller Leidenschaft und Engagement.

Anerkennung, dass frau nun mittendrin ist in diesem Zustand, in diesem Prozess der Veränderung – das steht jetzt an. Es braucht Raum für Verarbeitung und Neuausrichtung. Sich bewusst Zeit für den Abschied zu nehmen und sich Unterstützung durch das persönliche Netzwerk oder professionelle Beratung zu suchen… Das ist klug, weise und nicht zuletzt die allerbeste Selbstfürsorge!

Als Unternehmensberaterin habe ich erlebt, wie Frauen diesen emotionalen Abschied durchlaufen und dabei ihren eigenen Weg finden, um diesen Übergang zu bewältigen. Manche finden Trost und Stärke in der Vorstellung, dass ihr Lebenswerk in guten Händen weitergeführt wird, während andere sich auf neue persönliche Ziele und Interessen konzentrieren.

Neuausrichtung in the Making

Die Anerkennung und Wertschätzung der eigenen Leistung als Unternehmer*in ist ein wichtiger Schritt in Richtung des emotionalen Abschieds, wenn nicht gar der wichtigste. Machen Sie sich bewusst, welche Erfolge Sie im Laufe der Jahre erreichten und blicken Sie stolz auf das Geleistete zurück!

Ja, ich habe gerade die sehr persönliche Ansprache gewählt. Denn die Würdigung eigener Erfolge sollte nicht nur dann geschehen, wenn Sie planen, Ihr Unternehmen abzugeben. Interne Revision, Klausur, Bewertung sollten aus meiner Warte regelmäßig passieren.

Sie sehen (und wissen es auch): Gleichzeitig ist es normal und gesund, auch Abschiedsschmerz zu empfinden und diesen Gefühlen Raum zu geben. Der Übergang in einen neuen Lebensabschnitt bedeutet zwangsläufig eine Zeit der Neuausrichtung und des Neuanfangs. Viele Frauen entdecken nach dem Abschied von ihrem Unternehmen neue Interessen, Hobbys oder berufliche Projekte, die sie begeistern und erfüllen.

Wie im unternehmerischen Alltag ist Offenheit für Veränderungen die Basis aller Entwicklung. Was auch immer die Zukunft bringen mag – Sie können diese gestalten.

Abschließend ist der emotionale Abschied von einem Unternehmen ein wichtiger Teil des Generationswechsels und verdient die nötige Aufmerksamkeit und Unterstützung. Indem man diesen Prozess bewusst durchlebt und sich selbst erlaubt, alle damit verbundenen Emotionen zu fühlen, kann man gestärkt und zuversichtlich in die nächste Lebensphase gehen.

Denn es gibt hier immer noch den – ich nenne ihn – feinstofflichen Gedanken: „Was habe ich denn dann? Danach? Wenn…“

(Welche) Chancen und Möglichkeiten bieten sich (?)

Während der Verhandlung der Übergabe mit Frust und Enttäuschung umzugehen, weil Verhandlungen nicht unbedingt zu 100% erfolgreich sind, das liegt in der Natur der Sache.

Der Generationswechsel birgt jedoch auch Chancen für eine erfolgreiche Neuorientierung und Weiterentwicklung des Unternehmens. Soll heißen: In solchen Situationen ist es mehr als hilfreich, die Perspektive zu wechseln und die langfristigen Ziele und Interessen im Auge zu behalten. Schließlich muss ja nicht sofort komplett Schluss sein. Übergänge können wie bereits zuvor beschrieben eine zeitlich begrenzte Begleitung beinhalten.

Apropos Langfristigkeit. Es geht nicht, dass Sie denken, Sie machen das so mal eben nebenher. Klare Absprache, Zeithorizonte gehören artikuliert, beschrieben und vor allen Dingen auch eingehalten. Erfolgreiche Übergaben lassen sich nicht in allen Fällen innerhalb eines Jahres umsetzen. Eine parallele Begleitung mit der schrittweisen Reduktion von Verantwortlichkeiten auf der einen sowie dem kontinuierlichen Ausbau von (Geschäfts-) Führungskompetenzen auf der anderen Seite sollten Sie im Blick behalten.

Die aus meiner Sicht beste Chance liegt darin, die Beziehung zwischen der übergebenden und der übernehmenden Partei bewusst auf die Zukunft maßzuschneidern und die gesunde Arbeitsbeziehung beizubehalten. Oft ist die übernehmende Partei bereits im Vorfeld im Unternehmen tätig als Kolleg*in / Mitarbeiter*in. Dieser Rollenwechsel kann im Laufe der Verhandlung trotz Klarheit, Kommunikation und Transparenz über Anliegen, Bedürfnisse und Ziele, schnell eine toxische Dynamik entwickeln. Indem man sich auf gemeinsame Ziele und Werte konzentriert und offen bleibt für den Austausch, lassen sich sicherlich erfolgreiche Lösungen für alle Parteien finden.

Die banalste Erkenntnis sollte jedoch immer sein: Veränderungen brauchen Zeit und lassen sich nie übers Knie brechen. Sie brauchen Geduld, Flexibilität und die wirkliche Bereitschaft zur Ab- und Übergabe.

Aus meiner Praxis: Knackige Tipps für einen erfolgreichen Generationswechsel:

Konzentrieren wir uns auf die Aspekte:

  • Was müssen Sie aufgeben vs. was müssen Sie loslassen? Das ist nicht dasselbe 
  • Wie gelingt ein Übergang in kleinen Schritten?
  • Welches implizite Wissen darf nicht verloren gehen? Welches Wissen soll ausgebaut werden?

 

1. Aufgeben und loslassen

Identifizieren Sie die Aufgaben und Verantwortlichkeiten, die Sie als Unternehmer*in innehatten. Überlegen Sie, welche davon können Sie in welcher Reihenfolge aufgeben, um Platz für die neue Führung zu schaffen.

Betrachten Sie auch persönliche Bindungen und Beziehungen zum Unternehmen, die möglicherweise losgelassen werden müssen, um einen reibungslosen Übergang zu ermöglichen. Neue Besen kehren gut, heißt es im Volksmund. Ein Körnchen Wahrheit steckt darin und es muss ja nicht gleich der große Kehraus sein.

Seien Sie bereit, sich von bestimmten Gewohnheiten, Arbeitsweisen oder sogar der Kontrolle über bestimmte Bereiche des Unternehmens zu verabschieden, um Platz für frische Ideen und Innovationen überhaupt zu ermöglichen. Denn wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.

2. Gestaltung des Übergangs in kleinen Schritten

Entwickeln Sie einen detaillierten zeitlichen Übergangsplan, der den Prozess in kleine, machbare Schritte unterteilt. Denken Sie zum Beispiel an das Beenden von laufenden Projekten oder das Reduzieren/Kündigen der Geschäftsräume.

Priorisieren Sie die Schritte basierend auf ihrer Dringlichkeit und Wichtigkeit. Arbeiten Sie diese nach und nach gemeinsam ab, um Überlastung und Stress aller Beteiligten zu vermeiden.

Kommunizieren Sie offen mit allen Beteiligten über den Fortschritt des Übergangs und halten Sie sich gegenseitig über geplante Veränderungen auf dem Laufenden, um ein Gefühl der Transparenz und Sicherheit zu schaffen.

3. Vermittlung des gesammelten Wissens

Identifizieren Sie die wichtigsten Kenntnisse, Erfahrungen und Best Practices, die Sie im Laufe der Jahre gesammelt haben. Vielleicht mit einer Art internen Dokumentation der Abläufe und Weitergabe-Strategien, um dieses Wissen effektiv an die nächste Generation oder Geschäftsführung weiterzugeben, damit der Fortbestand der Unternehmung gesichert ist. Da Unternehmen oft den Status als weiteres/einziges „Kind“ innehaben, lassen Sie zu, dass jemand anderes mit gleich viel Herzblut die Fürsorge übernimmt. Wissenstransfer können Sie auch über eine weitere Begleitung oder punktuelle Beratung gewährleisten.

Erwägen Sie beispielsweise, als Mentor*in tätig zu sein, interne Schulungen, Klausurtagungen und Zukunftswerkstätten zu planen, um Schlüsselmitarbeiter*innen und potenzielle Nachfolger*innen gezielt zu unterstützen und zu fördern. Nehmen Sie alle Kompetenzen ernst. Das steigert die Motivation für alle Beteiligten maßgeblich.

Last but not least, und weil es wirklich nützlich ist, auch wenn ich es schon ansprach: Nutzen Sie gerne (!) moderne Technologien und Tools, um Wissen und Informationen zu dokumentieren und für zukünftige Generationen leicht zugänglich zu machen, zum Beispiel durch die Erstellung von Handbüchern, Schulungsvideos oder Wissensdatenbanken.

Generationswechsel und Unternehmensnachfolge: Fazit und Ausblick

Der Generationswechsel ist ein entscheidender Moment für Unternehmen, der Herausforderungen und Chancen mit sich bringt. Es ist wichtig, den Übergang strategisch zu planen und sich bewusst zu machen, welche Aufgaben und Verantwortlichkeiten aufgegeben und losgelassen werden müssen.

Der Übergang sollte in kleinen, machbaren Schritten gestaltet werden, um Überlastung zu vermeiden und einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Die Vermittlung des gesammelten Wissens und der Erfahrungen an die nächste Generation ist entscheidend für den langfristigen Erfolg des Unternehmens.

Trotz möglicher Herausforderungen bietet der Generationswechsel die Möglichkeit für eine Neuorientierung und Weiterentwicklung aller Beteiligten, Abgebenden und Übernehmenden, Verbleibenden.

Klar ist: Generationswechsel ist ein natürlicher und unvermeidlicher Teil des Unternehmer*innen-Lebens. Gehen Sie diesen Prozess frühzeitig und aktiv an. Begreifen und nutzen Sie ihn als Chance für positive Veränderung.

Herzliche Grüße aus Düsseldorf-Oberbilk,
Deine und Ihre Petra Welz

(Bildquelle: eigenes Material)