Der Dalai Lama sagt: „Nichts ist entspannender anzunehmen, als das anzunehmen, was kommt.“ Vielleicht ist Ihnen dieses Zitat schon einmal über den Weg gelaufen. Und ja, das hört sich ganz leicht an – und ist in echt eine große Leistung. In dieser Zeit von tiefer Angst und Verunsicherung suchen viele Menschen Halt und Orientierung. Sei es privat, persönlich und nicht zuletzt auch beruflich. Denn diese Perspektiven bedingen sich gegenseitig.
Zwei Erfahrungen möchte ich zum Jahresabschluss mit Ihnen teilen. Ich starte mal mit einer eher persönlichen Erfahrung. Wie jedes Jahr zum Ende ist mein berufliches Schaffen geprägt von jeder Menge Terminen. Das freut mich sehr, bedeutet allerdings auch, dass einiges Privates auf der Strecke bleibt. Beispielsweise Zeit zu haben mit Menschen, die ich liebe.
Jetzt denken Sie sich bestimmt, das sollte so doch nicht sein und vielleicht geht es Ihnen ganz ähnlich. In meinen Supervisionen sagten die meisten Teilnehmenden: „Ich freue mich auf die freien Tage um Weihnachten herum…“
Wenn…, dann…
So oft habe ich das schon gehört und dieses Mal dachte ich: „Und dann?!“ Habe ich selbst schon oft darauf hin geträumt mit dem Wunsch nach Zeit für Kontakt. Und dann war mir eigentlich nach Rückzug, alleine sein und Stille. Allzu häufig war es ein Weihnachtshüpfen von Termin zu Termin zwischen Familie und Freund*innen.
Es geht also darum, nichts aufzuschieben, nach dem Wenn-Dann-Motto. Nehmen Sie sich genau jetzt Zeit für Ihre lieben Menschen und auch für sich selbst. Ich versuche, jeden Tag eine Zeit der Stille für mich zu finden. Sei es morgens bei der Meditation oder ein Innehalten während des Tages und spätestens abends vor dem zu Bett gehen.
Verschenken Sie Freude!
Vielleicht…
- Schreiben Sie eine schöne Karte an eine Freund*in, die Sie lange nicht gesehen haben.
- Greifen Sie zum Telefon.
- Laden Sie einen netten Menschen zum Spaziergang ein
- Zünden Sie eine Kerze an und denken an die Menschen, die krank und geschwächt sind.
- Oder, oder, oder.
Sie sehen, es gibt so viele Möglichkeiten, die kein oder wenig Geld kosten. Aktuell kommt es mehr denn je darauf an Verbindungen zu erhalten und für Verbundenheit zu sorgen, um der zurzeit überall stattfindenden Spaltung der Gesellschaft etwas entgegen zu setzen. Es lohnt sich, nichts aufzuschieben.
Effectuation: Eine Erkenntnis, die Zukunft gestaltet. Aktiv!
Die zweite Erfahrung ist eher eine Erkenntnis. Bei mehreren Veranstaltungen ist mir zuletzt eine Methode untergekommen. Unlängst im November bei einem Vortrag einer Netzwerkkollegin bei der Veranstaltung „Frauen gründen anders“. Es geht um den Umgang mit Ungewissheit.
Welche Logik ermöglicht es, eine Unternehmenszukunft aktiv zu gestalten, wenn das Umfeld unsicher ist und exakte Vorhersagen und Planungen nicht möglich sind? Und genau das trifft gerade in dieser Zeit auf sehr viele Selbständige zu. „Effectuation“ ist das Stichwort – eine Perspektive, wie es gelingt, Neues in die Welt zu bringen.
Entwickelt wurde die Methodik von der indischen Kognitionsforscherin Prof. Saras Sarasvathy und in die deutschsprachige Lebenswelt von Michael Faschingbauer übersetzt.
Dabei geht es um folgende vier Prinzipien, die Ihre Einstellungen und Ihr Handeln prägen:
- Mittelorientierung
- leistbarer Verlust
- Umstände und Zufälle
- Vereinbarungen und Partnerschaften
Was bedeutet das nun konkret? Hingucken, was bereits vorhanden ist!
Mittelorientierung
…heißt zu schauen, wo ich stehe. Wer bin ich? Was kann ich? Wen/welche kenne ich? Worauf kann ich sofort zugreifen?
Wenn Sie diese Fragen für sich beantworten, entwickeln Sie Optionen. Und damit ganz nebenbei Ihre nächsten Ziele. Meine Online-Workshop-Reihe der Krafttankstelle behandelt weiterhin genau dies. Ausgehend vom (unsicheren unplanbaren herausfordernden) Status quo. Ich bin sicher: Es kann gelingen.
Leistbarer Verlust
Nehmen Sie das wörtlich: Welchen Verlust können Sie sich leisten? Welche materiellen und immateriellen Ressourcen stehen Ihnen zur Verfügung? Was kann Ihnen bei der schlechtesten Entwicklung passieren?
Genau diese Fragen stellen sich alle Gründer*innen verstärkt am Anfang und Unternehmer*innen im laufenden Business. Der individuell leistbare Verlust bzw. Einsatz (und nicht der erwartete Ertrag) bestimmen, welche Gelegenheiten wahrgenommen werden bzw. welche Schritte in einem Vorhaben tatsächlich gesetzt werden.
Wenn es um finanzielle Überlegungen geht, sollten Sie rechnen und einschätzen, bei welchen Summen Sie noch gut schlafen. Wenn eine Idee nicht aufgeht und Sie das als Scheitern betrachten, verlieren Sie dann an Image oder kratzt es an Ihrem Perfektionismus?
Auch hier bin ich sicher: Wenn Sie diese Perspektive einnehmen und üben, diese Sichtweise präsent zu halten, bringt Sie ein leistbarer Verlust vorwärts, weil Sie Ihre Idee konsequent weiter verfolgen.
Umstände und Zufälle
Die Umstände der Pandemie haben dazu geführt, dass viele meiner Kund*innen (und ich selbst) Dienstleistungen zusätzlich online anbieten. Daraus ergeben sich zwei Effekte.
Unabhängig von Zugangsbeschränkungen können die Angebote stattfinden. Des Weiteren vergrößert sich die Reichweite. Es hat eine sehr starke Veränderung gegeben in der Annahme von Online-Angeboten. Abgesehen von der selbstverständlichen Online-Nutzung der jüngeren Generation, ist durch das Home Office, die geschäftliche Nutzung für Meetings von Internetplattformen wie Zoom etc., die Möglichkeiten über Videoanrufe u.a. Kontakt zu behalten, die Bereitschaft gewachsen, digitale auch Yoga, Feldenkrais, Coachings und Beratungen in Anspruch zu nehmen.
Ein anderes Beispiel aus meiner Beratungspraxis: Eine Kund*in entschied sich aus der Arbeitslosigkeit für eine Teilzeitstelle, die sie im Oktober angenommen hat, und zeitgleich für den Aufbau einer nebenberuflichen Existenzgründung. Sie wollte in Beidem ihre Fähigkeiten einsetzen. Im November flatterte eine Stellenanzeige in ihr Mail-Postfach, die genau das verband, was Sie sich beruflich vorstellte.
Die Stelle war zum Zeitpunkt ihrer Suche bereits zweimal ausgeschrieben – und sie hätte sich bereits bewerben können. Nun kündigte die damalige Kandidatin und die Stelle musste neu besetzt werden. Bei dem Vorstellungsgespräch stellte sich heraus, dass meine Kund*in wie geschaffen war für diesen Arbeitsplatz. So wird sie zum neuen Jahr dort anfangen. Beide Seiten haben das Potential erkannt und wie der Zufall es wollte, kannten sich Leitung und Bewerberin bereits aus Kindertagen. Gerade in einem ungewissen Umfeld passieren Überraschungen.
Wenn Sie offen sind für solche Überraschungen, wenn Sie diese als Chance für Ihre Zwecke sehen, dann können Sie vielleicht sogar Nutzen aus den Zufällen ziehen.
Glückliche Zufälle zeichnen sich dadurch aus, dass Sie etwas finden, was Sie nicht gesucht haben.
Vereinbarungen und Partnerschaften
Sie suchen nicht die oder den richtige*n Partner*in, sondern schauen, welche Partnerschaften sich in Ihrem Umfeld bereits abzeichnen und welche Partnerschaft zu einem neuen Vorhaben JA sagen würde.
Vergessen Sie Konkurrenz, messen Sie sich nicht vorrangig an der Konkurrenz, sondern verstehen es, Ihre Netzwerke zu nutzen – ganz besonders ohne Angst davor, Ihre Ideen mit anderen zu teilen. Um trotz dieser Offenheit die Verlässlichkeit herzustellen, die jede Zusammenarbeit braucht, werden Vereinbarungen getroffen.
Dabei geben alle Beteiligten an, worin ihr Einsatz besteht, also welche Mittel sie einbringen werden. Das können Ideen, Know-how, Kontakte, Geld, Dienstleistungen oder auch Betriebsmittel oder Räume sein.
Und wo finden Sie sich wieder?
Sagen Sie JA!
Effectuation, ein bisschen Konzentration – und das Wort gleitet über die Lippen. Ich habe erkannt, dass mein unternehmerisches Handeln ebenfalls von diesen oben genannten Prinzipien prägt ist – nur dass ich dafür nicht so ein schönes Wort hatte 🙂
Diesen Beitrag nenne ich „Von Halt, Orientierung und Zufällen, die Sicherheit geben.“ Insbesondere das Vertrauen, ein Ja! gegenüber Zufällen machen uns aufgeschlossen für die Zukunft. Denn Sie kennen das sicherlich: Als Selbstständige*r sehen wir uns stets und ständig Unsicherheiten, Unwägbarkeiten, Unplanbarkeiten ausgesetzt. Das ändert sich nie.
Die Frage ist: Wie gehen wir damit um und lassen wir uns darauf ein. Ja!
Herzliche Grüße aus Düsseldorf-Oberbilk,
Deine und Ihre Petra Welz
(Bildquelle: eigenes Material)